Möchte man Farbratten ein neues Zuhause schenken, gibt es hierfür mehrere Anlaufstellen. Ich hoffe wirklich, dass mittlerweile jedem klar ist, dass die Zoohandlung keine gute Option für die Adoption eines Nagetieres darstellt. Doch bei der Frage, ob man Ratten lieber aus dem Tierheim oder vom Züchter aufnehmen sollte, stehen bei vielen noch Fragezeichen im Kopf.
Schaut gerne auch hier vorbei: Woher die Ratten holen?
Durch meine langjährige Erfahrung in der Rattenhaltung konnte ich bereits Erfahrungen in beiden Bereichen sammeln und würde euch gerne meine Meinung hierzu mit auf den Weg geben. Doch am Ende des Tages sollte sich jeder seine eigene Meinung bilden und diese Entscheidung für sich treffen.
Zucht- vs. Notfallratte – Ratte vom Züchter
Die Vorteile einer Rattenzucht
Insbesondere Anfänger in der Rattenhaltung wenden sich für die Adoption von Farbratten häufig an Rattenzüchter. Hier haben sie den Wunsch gesunde und zahme Jungtiere zu erhalten. Eine seriöse! Rattenzucht legt natürlich sehr viel Wert auf gesunde Tiere und eine soziale Entwicklung im frühen Alter. Ebenso werden die jungen Ratten bereits seit klein auf an die menschliche Hand gewöhnt und sind deshalb oftmals schon zutraulich. Dazu kommt natürlich auch, dass ein seriöser Rattenzüchter sich gut mit den Tieren und der Rattenhaltung im Allgemeinen auskennt und dem Adoptanten beratend zur Seite steht.
Da die Wurfgröße von Ratten oftmals groß ausfällt und manchmal mehrere Weibchen zeitgleich trächtig sind, hat der zukünftige Rattenhalter weiterhin eine große Auswahl an Rattenbabys unterschiedlicher Zeichnungen und Farben. Der Grundgedanke vieler Rattenzuchten ist es ebenso die Gewissheit einer guten Genetik der Jungtiere zu haben. Da man den „Stammbaum“ der Rattenbabys kennt und Elterntiere klar bestimmt werden können, sollen Erbkrankheiten beispielsweise ausgegrenzt werden können. Generell bekommt der neue Besitzer genaue Informationen, wie Zeichnung, Fellfarbe, Geburtsdatum, Alter,… über das Tier. Mit der Zeit können auch Charakterzüge des Wurfes zugeordnet werden.
Ein weiterer Vorteil an Zuchttieren besteht darin, dass man das Gefühl bekommt, die Kleinen aufwachsen zu sehen. Ratten kann man sich meist schon nach relativ kurzer Zeit nach der Geburt durch Fotos und Videos aussuchen und reservieren lassen. So kann man die Zeit bis zum Auszug mit putzigen Videos und Bildmaterial mitverfolgen und die Kleinen wachsen sehen.
Die Nachteile einer Rattenzucht
Im oberen Abschnitt betone ich immer wieder die Merkmale einer SERIÖSEN Zucht. Denn was bei einer Zucht so alles positiv sein soll, muss es eben nicht. Heutzutage setzen leider sehr viele Rattenhalter unbedacht Jungtiere in die Welt. Zahlreiche Menschen, die sich als Rattenzüchter bezeichnen kennen sich leider nicht mal annähernd genug mit der komplexen Rattengenetik aus. So verfällt also schnell die versprochene Gewissheit im Bezug auf Gesundheit und Verhalten. Selbst Qualzuchten werden so, wenn auch nicht immer gewollt, auf die Welt gebracht. Weiterhin entstehen so auch eine Menge Massenzuchten, die Farbratten vermehren, um den maximalen Profit aus ihnen heraus zu holen. Mittlerweile muss man wirklich sagen, dass zwar nicht immer der Grundgedanke aber ein verstecktes Ziel hinter vielen Zuchten tatsächlich das Thema Geld ist. So traurig das auch ist.
Mal etwas überspitzt dargestellt, findet man manchmal folgende Zuchtbeschreibungen:
„Junge und gesunde Babys mit guten Genen aus eigener Zucht. Alle Zuchttiere sind zahm und haben einen tollen Charakter. Sie waren nie krank, hatten nie einen Tumor und erreichten ein Alter von mindestens 4 Jahren.“
Tja, solche Zuchtziele sind buchstäblich zu schön um wahr zu sein. Alleine das Gefühl zu haben seine Tiere so anpreisen zu müssen, sagt doch schon alles aus. Erst einmal kann man keinen bestimmten Charakter eines Tieres einfach so herbei züchten. Jedes Tier hat einen Eigencharakter, wie auch wir Menschen. Doch natürlich kommt es auch auf die richtige Entwicklung im jungen Alter und das Sozialverhalten an. Deshalb spielt hier der richtige Umgang und die Haltung eine wichtige Rolle.
Nüchtern betrachtet werden auch nicht alle Ratten – egal woher sie nun stammen – (realistische) 3 Jahre alt. Farbratten sind nun mal leider anfällig für Atemwegserkrankungen und bekommen insbesondere im Alter häufig Tumore und andere Beschwerden.
Durch eine gezielte Zucht können zwar erblich weitergegebene Krankheiten teils selektiert werden, doch können Krankheiten nie gänzlich ausgerottet werden. Ähnlich wie bei uns Menschen können auch bei den besten Genen Krankheiten auftreten. Um bei dem Vergleich zum Menschen zu bleiben, können sie auch selbst durch Rauchen, Drogenkonsum oder schlechter Ernährung das Risiko zu erkranken erhöhen. So auch bei Farbratten, nur das dies in der Hand des Rattenhalters liegt. Auch hier können die falsche Ernährung, eine nicht artgerechte Haltung, unreine Luft o.ä. Krankheiten begünstigen und das Immunsystem schwächen.
Unseriöse Rattenzuchten setzen Ratten in die Welt und vermitteln sie möglichst schnell weiter. Bei der Vermittlung legt leider nicht jeder Züchter genügend Wert auf eine artgerechte Haltung. So werden viele Farbratten in zu kleine Käfige oder auch nur zu zweit vermittelt. Wo manche Rattenzüchter ihre Würfe nur auf bestehende Anfrage hin planen, setzen andere möglichst schnell möglichst viele Rattenbabys auf die Welt. Doch wohin mit ihnen? Viele Ratten landen als Folge einer unüberlegten Schwangerschaft im Tierheim oder ausgesetzt auf der Straße. Das bedeutet, dass leider viele sogenannte Rattenzüchter dafür verantwortlich sind, dass Tierheime und Rattenhilfen so überlaufen sind.
Auch Rattenweibchen müssen oftmals ihren Zweck als „Gebärmaschine“ in einem solchen Maß und Zeitraum erfüllen, dass es alles andere als vertretbar ist. Seriöse Zuchten sollten darauf achten, dass die Rattenmama genügend Pausen hat, um sich vom Stress zu erholen. Ab einem gewissen Alter sollte sie letztlich ebenso in den Ruhestand gehen dürfen.
Abschließend möchte ich dazu sagen, dass die oben genannte Kritik natürlich nicht auf jede Rattenzucht zutrifft. Aber was ich damit sagen will ist, dass die Gefahr an eine Massenzucht oder unseriöse Zucht zu geraten, die die folgenden Punkte vertritt, leider vorhanden ist. Solltest du dir also Ratten vom Züchter holen wollen, solltest du unbedingt die Beweggründe des Züchters hinterfragen, um nicht an den falschen zu geraten.
Was zeichnet eine gute und seriöse Rattenzucht aus?
Hier mal einige Kriterien, die eine seriöse Rattenzucht meiner Meinung nach einhalten sollte:
- Artgerechte Haltung der Ratten
- vielseitiges Wissen über Rattengenetik, Rattenzucht, Aufzucht und Entwicklung von Jungtieren sowie allgemeines Sozialverhalten von Farbratten
- ausführliche Beratung des neuen Rattenhalters – auch nach der Vermittlung!
- Vermittlung der Ratten nur unter strengen und artgerechten Bedingungen
-> Sicherstellung dieser Vermittlungsbedingungen durch einen Besuch oder ausführliche Beschreibung durch Bildern - Rücknahme der vermittelten Tiere, wenn diese aus welchem Grund auch immer nicht mehr gehalten werden können
- Rattenwürfe nur bei genügend Nachfrage
- ausreichend Kapazität, Zeit und Geld (auch wenn das Angebot mal weniger wird und Tiere unerwartet länger bleiben müssen)
- Ausreichend Erfahrung in der Rattenhaltung
- Ziel von gesunden und sozialen Jungtieren, kein Fokus auf Geld oder bestimmte Schönheitsideale
- Transparenz der eigenen Haltung, Vorgeschichte der Rattenhaltung/Zucht und über die eigene Person wäre gut
- Keine Unterstützung von unvertretbaren Qualzuchten
Zucht- vs. Notfallratte – Ratten aus dem Tierheim / von der Rattenhilfe
Notfallratte aufnehmen – Vorteile
Eine der größten Vorteile daran, eine Ratte aus dem Tierheim oder einer Pflegestelle aufzunehmen, besteht natürlich darin dem Tier eine zweite Chance zu schenken. Ratten landen aus vielen unterschiedlichen Gründen im Tierheim. Oftmals stammen sie aus ungeplanten Würfen oder können von ihren alten Besitzern nicht mehr länger gehalten werden. Auch ausgesetzte Ratten finden ihren Weg zur Rattenhilfe. Weil viele Menschen mit Tierwunsch direkt den Weg in eine Zoohandlung oder zum Züchter aufsuchen, müssen leider viele Tiere ihr gesamtes Leben im Tierheim verbringen. Allein der Gedanke daran, dass Notfellchen schon „da sind“ und eben nicht extra produziert wurden, ist für viele schon Grund genug ein Tierheim aufzusuchen. Viele Menschen sehen dies auch als Chance sich gegen Tierhandel einzusetzen und mit ihrem Weg ein Zeichen zu setzen.
Leider wird häufig Misstrauen gesät, wo es keines geben müsste. So machen viele Gerüchte über Notfellchen die Runde und lassen Ratten aus der Rattenhilfe schlechter dastehen als Zuchtratten. Doch lass dir eines gesagt sein: Zuchtratten sind weder sozialer, noch gesünder oder langlebiger als Ratten aus dem Tierheim!
Natürlich bringen Ratten aus der Rattenhilfe im Gegensatz zu Zuchttieren eine Vergangenheit mit. Aber das muss nicht immer ein Laster sein. Nur weil die Ratte nicht länger im alten Zuhause bleiben kann, sollte man nicht davon ausgehen, dass es dem Tier zu verschulden ist. Viele Menschen erwarten, direkt ein ängstliches oder bissiges Tier vorzufinden. Doch nicht selten werden Liebhabertiere schweren Herzens wegen beispielsweise Allergien, Umzugs oder einfach Zeitmangel abgegeben. Auch Ratten, die aus schlechter Haltung stammen oder wegen ihrem „nicht handhabbaren“ Verhalten abgegeben wurden, sind häufig keine Problemtiere. Durch Veränderung der Umgebung und vor allem des Umgangs mit dem Tier, kann sich das Verhalten schnell ändern. Denn es gibt immer einen Grund, warum ein Tier sich so verhält, wie es sich eben verhält. Leider sind die Gründe hierfür oftmals auf eine nicht artgerechte Haltung und schlechten Umgang mit dem Tier zurückzuführen.
Doch umso schöner ist es doch, Tiere, die in ihrem kurzen Leben bisher viel Schlimmes erleben mussten, eine zweite Chance zu schenken. Denn du bist es, der ihnen zeigen kann, wie schön das Leben sein kann. Du bist es, der ihnen diese Chance geben kann.
Im Tierheim und Pflegestellen gibt es weiterhin eine bunte Auswahl an Farbratten, die meist bereits in festen Rudeln ausziehen können. So hat man beispielsweise auch die Chance auf ein gemischtes Rudel mit männlichen Kastraten oder einem Rudel gemischten Alters. Wer speziell auf der Suche nach Jungtieren ist, sollte nicht gleich den Gedanken verwerfen sich bei der Rattenhilfe umzusehen. Denn wie bereits erwähnt, finden auch häufig unerwartete Würfe den Weg ins Tierheim.
Ein weiterer Vorteil an der Aufnahme einer Notfallratte ist es, dass du vor Adoption genaue Informationen über das Verhalten und den Charakter des Tieres erhältst. Vor Vermittlung leben die Tiere bereits einige Zeit in den Pflegestellen, wo sie von erfahrenen Haltern umsorgt werden. Durch die gemeinsam verbrachte Zeit und die Erfahrung der Pflegestellen, lernen sie das Tier einzuschätzen und können so abwägen, ob es die richtigen Tiere für dich sind. In dieser Zeit arbeiten die Pflegestellen natürlich auch schon daran, Vertrauen zum Tier aufzubauen und es an die Hand zu gewöhnen. So sind viele Tiere schon handzahm.
Außerdem sind die Mitarbeiter der Rattenhilfe Experten auf ihrem Gebiet und werden dir beratend zur Seite stehen.
Auch wer einzelne Tiere für eine Integration in ein bereits bestehendes Rudel sucht, ist bei der Rattenhilfe genau richtig. Dort kann man Artgenossen des richtigen Geschlechts und Alters suchen. In diesem Fall ist natürlich auch die Beratung und Hilfe während der Vergesellschaftung ein Pluspunkt.
Durch die Zusammenarbeit mit anderen Pflegestellen ist es häufig auch möglich Ratten deutschlandweit adoptieren zu können.
Notfallratte aufnehmen – Nachteile
So schön wie es ist, einem Rudel eine zweite Chance zu bieten, so muss man auch einiges beachten. Auch, wenn es nicht so sein muss, kann es dennoch vorkommen, dass Notfalltiere durch schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit Verhaltensprobleme mit sich bringen und schwierig im Umgang sind. Solche Informationen bekommt man natürlich vorab durch die Pflegestelle mitgeteilt, da diese wie bereits vorab beschrieben, ihre Tiere gut einschätzen können. Schwierige Farbratten werden auch meist nur an erfahrene Halter mit entsprechenden Kenntnissen vermittelt. Es liegt also ganz in deiner Hand, welche Ratten du aufnehmen möchtest und welche nicht.
Solltest du beschließen eine „Problemratte“ aufzunehmen, musst du geduldig sein und lernen das Tier einzuschätzen. Das ist nicht immer leicht, da wir leider nicht in den Kopf der Ratte hinein schauen können. Doch mit genügend Geduld und Vertrauen, kann man auch zu ängstlichen oder aggressiven Tieren eine gute Basis aufbauen.
Bei der Adoption von Ratten aus dem Tierheim kommt es auch manchmal vor, dass nicht alle Informationen der Tiere vorliegen. Sollte das Tier nicht direkt in der Pflegestelle geboren sein, sind Elterntiere meist unbekannt. In seltenen Fällen kann sogar das Alter der Tiere nicht genau definiert werden. Auch, wenn die Pflegestellen das ehemalige Zuhause der Ratten oft zu Gesicht bekommen, können wir trotzdem nur erahnen, was das Tier dort erleben musste.
Wo Rattenzüchter also auf gute Gene und kräftige Zuchttiere setzen, tappt man hier eher im dunkeln. So weiß man leider nichts genaues über beispielsweise erblich bedingte Erkrankungen, die eventuell auftreten könnten. Bei ungeplanten Würfen kann auch eine Inzucht durch falsche Geschlechtertrennung des Vorbesitzers stattgefunden haben.
Zucht- vs. Notfallratte mein Fazit
Abschließend ist zu sagen, dass sowohl seriöse Rattenzüchter als auch Notfellchen aus der Rattenhilfe ihre Vor- und Nachteile mit sich bringen. Welcher Weg für dich und deine Rattenhaltung der beste ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Grundsätzlich gilt, dass man weder den Lebensverlauf einer Zuchtratte noch den einer Notfallratte pauschalisieren kann. Heißt also: Nicht jedes Zuchttier bleibt gesund und wird alt sterben, genauso wenig wie jede Notfallratte ein Problemtier ist und eine kürzere Lebenserwartung hat.
Meine persönliche Erfahrung:
Ich hatte bereits Ratten aus der Zucht sowie Notfallratten aus der Rattenhilfe. Trotz gut gemeinter Zuchtziele heißt es aber nicht, dass die Zuchttiere robuster oder langlebiger sein müssen wie Notfellchen.
Für mich persönlich ist klar, dass in meinen Haushalt nur noch Notfellchen einziehen werden. Dabei gibt es für mich nur positive Seiten – so viele verschiedenen Vergangenheiten, Hintergründe, Alter und Charaktere. Ich halte das für sehr spannend und bin offen für jede Ratte.
Ich habe meine absolute Seelenratte durch die Rattenhilfe gefunden und werde auch zukünftigen Tieren eine zweite Chance ermöglichen. Besonders durch meine Arbeit als Hamsterpflegestelle bringe ich vollsten Respekt für alle Pflegestellen der Rattenhilfe auf und kann mir nur im entferntesten vorstellen, wie viel Arbeit, Geld, Energie und Nerven das kosten mag. Für mich gibt es nichts schöneres, als die Tierhilfe zu unterstützen und den kleinen Stinkern ein schönes Leben zu bieten.
Weiterführende Links:
Rattenweibchen oder -männchen halten?
Checkliste vor dem Einzug der neuen Ratten
Tipps zur Rattenhaltung
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